Das Gemeindewappen von Strasshof zeigt im unteren Teil auf blauem Grund ein goldenes Flügelrad, das Symbol der Eisenbahn. Denn es war der neue Verschubbahnhof der Nordbahn, der 1908 hier gebaut und zum Auslöser des rasanten Wachstums des Ortes wurde. Doch den Oberteil des Wappens dominiert die „Stolze Föhre“ auf rotem Grund, Wahrzeichen von Strasshof und Verbindung mit der langen Besiedlungsgeschichte.
Denn schon im Mittelalter wird ein Dorf „Strazze“ erwähnt, später der Weiler Straßfeld mit einer Besonderheit: Schon in den ältesten Karten ist hier eine „Stolze Föhre“ eingezeichnet. Mit den Bäumen sind auch Sagen verbunden, so soll eine gute Fee hier gewohnt haben, die Wohltaten belohnte, die Stolzen aber bestrafte. In anderen Geschichten wird von Hexen- und Geisterspuk berichtet, die bei diesem Baum geschehen seien.
Die stolze Föhre -
ein sagenumwobener Baum.
Beschrieben wird die „Stolze Föhre“ als Kiefer, die keine Spitze habe, sondern weit ausgreifende Äste, die auf hohem Stamm ein Plateau bildeten. 1871 soll dieser Baum abgestorben sein, zumindest wird dies 1914 in einem Buch des Lehrers Anton Pfalz behauptet. Doch noch heute findet sich eine uralte Föhre in Strasshof, umgeben von einem Spielplatz. Der Baum wird auf mindestens 250 Jahre geschätzt und ist somit einer der ältesten des Marchfelds.
Bereits 1968 wurde der Baum von der Gemeinde Strasshof unter Schutz gestellt und seitdem aufmerksam gepflegt, ob es sich dabei jedoch um die in den Karten eingezeichnete „Stolze Föhre“ oder die unmittelbar daneben wachsende „Kleine Föhre“ handelt, ist nicht zu klären. Doch Alter und der mehr als beeindruckende Wuchs rechtfertigen Namen und Status als „Stolze Föhre“ allemal!
Die Straße, die an der Föhre vorbeiführt, trägt den sonst in Niederösterreich nicht verwendeten Namen „Holiczer Straße“. Er verweist auf das slowakische Schloss Holíč im Dreiländereck Österreich, Tschechien und Slowakei. Schloss und Gut waren im Eigentum von Franz Stephan von Lothringen, dem Gemahl Maria Theresias. Um die Habsburger-Erbin heiraten zu können, hatte er auf sein Herzogtum Lothringen verzichtet und war stattdessen Großherzog der Toskana geworden. Mit den Einkünften seines italienischen Landes hatte er Holíč erworben und hier ein Stück Lothringen nachbauen lassen. Durch das heutige Strasshof führte nun der Weg dorthin, den natürlich auch Maria Theresia benutzte. Der Legende nach machte sie regelmäßig Rast unter der Föhre, auch wenn dies wohl eher unwahrscheinlich ist.
1,5 Kilometer östlich der „Stolzen Föhre“ befindet sich noch heute ein Teil des Gutshofes Straßfeld. An diesem führte ab 1838 die nagelneue Nordbahn vorbei, doch abgesehen vom Gutshof gab es keinerlei Gebäude. Nur ein kleiner Verschlag für den Bahnwärter Geider bestand. Dieser hatte den Bahnschranken zu bedienen, pendelte aber täglich zu seinem Arbeitsplatz. Schon im ersten Jahr des Bahnbetriebs ließ er den Schranken auch vor Erzherzog Rainer nieder, dem Bruder von Kaiser Franz und Vizekönig von Lombardo-Venetien. Auch wenn der Zug noch am Heranschnaufen war, gab es für den Habsburger keine Ausnahme, er musste auf seinem Pferd sitzend warten, bis der Schranken wieder aufging. Nach anfänglichem Ärger imponierte dem Habsburger jedoch die Gewissenhaftigkeit des Bahnwärters Geider, und so schenkte er ihm zwei Joch Grund und das Bauholz für ein eigenes Wärterhaus. So wurde Geider zum ersten Bewohner des Ortes, der einst Strasshof an der Nordbahn werden würde.
Autor: Günter Fuhrmann
Günter Fuhrmann stammt aus dem nördlichen Weinviertel. Er hat seine Leidenschaft für Geschichte zum Beruf gemacht und gestaltet Ausstellungen und Museen, schreibt Bücher und dreht Dokus. In der Nachfolge zur Niederösterreichischen Landessausstellung 2022 im Schloss Marchegg suchte er im Auftrag der Region Marchfeld nach Marchfeld Geheimnissen. Wir präsentieren Ihnen hier eine Auswahl davon.