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Die Welt pflügt um die Wette
Gemeinde Haringsee - Die Welt pflügt um die Wette

In einer Septemberwoche 1964 explodierten die Besucherzahlen im sonst eher ruhigen Ort Fuchsenbigl mit seinen gut 300 Einwohnern. Zwischen dem Dorf und dem Russbach war ein Flugplatz eingerichtet worden, nördlich des Bachs war eine wahre Zeltstadt angelegt worden. Dabei handelte es sich nicht um „Camping“ im eigentlichen Sinn, zwar dienten viele Zelte der Übernachtung, doch dazu kamen Montagehallen, Servicestationen, mobile Büros, sogar ein Reit- und Fahrstadion war temporär entstanden.

Denn über 100.000 Besucher und Besucherinnen mit 40.000 Kraftfahrzeugen sollten zwischen 20. und 27. September Fuchsenbigl förmlich überschwemmen. Denn hier fand nichts weniger als die XII. Weltmeisterschaft im Pflügen statt!

Pax orva colat
Friede bestelle das Land.

Nach den Schrecken des Weltkriegs und der in zwei feindlichen Blöcken zerrissenen Welt gab es auch eine Gegenbewegung. Es gründeten sich internationale Organisationen, die einen weiteren großen Krieg verhindern sollten und Menschen über Grenzen hinweg verbinden. Am berühmtesten war natürlich die UNO, doch zahlreiche andere internationale Organisationen folgten, oft auf rein privater Initiative. Eine davon war die 1952 gegründete World Ploughing Organization (WPO) die neben der Förderung der „Kunst des Pflügens“ die Verbesserung der Nahrungsversorgung durch moderne Landwirtschaft und internationale Zusammenarbeit und Freundschaft zu ihren Zielen zählt.

Um dies erreichen, vereinbarten die 30 Mitgliedsstaaten einen alljährlichen Wettbewerb abzuhalten. 1953 fand die erste dieser Meisterschaften im kanadischen Cobourg statt. In den Folgejahren wuchsen diese Wettbewerbe zu wahren Massenevents an, das Wettpflügen von Fuchsenbigl 1964 war einer der größten davon.

Bei den Wettbewerben wurde nicht nur die Schnelligkeit, sondern das beste Allgemeinbild des gepflügten Ackers, die Furchentiefe, die Schnittfurche und die Schlussfurche von einer Jury bewertet. Daneben gab es eine Leistungsschau der aktuellen Landtechnik. Fuchsenbigl warb dabei mit einem „Traktorenlaufsteg aus aller Welt“.

Es war ein Ire, der den Sieg von Fuchsenbigl davontrug. Charles Keegan war der erste irische Pflügerweltmeister und betrieb eine Landwirtschaft in Enniskerry, 20 Kilometer südlich von Dublin. Als er heimkehrte, fuhr er mit seinem Traktor, einem Deutz D40L im Triumph durch die irische Hauptstadt und wurde dann auf Schultern durch sein Heimatdorf getragen. Heute führt der Enkel des Fuchsenbigler Champions die Familienfarm weiter, der siegreiche Traktor ist, bestens gepflegt, eine lokale Sehenswürdigkeit in Enniskerry.

Beim Feuerwehrhaus von Fuchsenbigl erinnert das Pflüger-Denkmal an jene Woche, in denen 21 Nationen hier zu Gast waren. Neben der Säule mit einer abstrakten Pflugschar findet sich eine Inschrift mit den Tafeln der teilnehmenden Nationen sowie dem Motto der Pflugmeisterschaften: PAX ARVA COLAT – „Friede bestelle das Land“. Alle Orte, die Gastgeber einer Pflügermeisterschaft waren, sollten diesen Schriftzug zur Erinnerung anbringen. Er verweist auf die friedensstiftende Mission der Gründer der World Ploughing Organization, die auch den Ort Fuchsenbigl Teil ihrer großen Vision werden ließ.

Autor: Günter Fuhrmann

Günter Fuhrmann stammt aus dem nördlichen Weinviertel. Er hat seine Leidenschaft für Geschichte zum Beruf gemacht und gestaltet  Ausstellungen und Museen, schreibt Bücher und dreht Dokus. In der Nachfolge zur Niederösterreichischen Landessausstellung 2022 im Schloss Marchegg suchte er im Auftrag der Region Marchfeld nach Marchfeld Geheimnissen. Wir präsentieren Ihnen hier eine Auswahl davon.

Für weitere Informationen, besuche die Website vom Weinviertel-Tourismus.