Wie eine idyllische Umfassung umschließt der Ort Parbasdorf den Rußbach der durch das grüne Zentrum des Dorfes fließt. Es ist außergewöhnlich hier, denn ein fast unbebautes Quadrat von 180 Meter Seitenlänge bildet die Mitte des Dorfes.
Hier steht auch die kleine Kirche an einer Allee, die entlang des Rußbachs verläuft.
Der wahrscheinlich größte Naturraum im Herzen einer Ortschaft.
Der Rußbach ist mit 71 Kilometern einer der längsten Flüsse Niederösterreichs, doch meist ein eher schmales Rinnsal. Dies ändert sich erst kurz vor Parbasdorf, denn hier mündet das größte Kanalprojekt Österreichs in das Gewässer. Auch der Rußbach ist Teil des Marchfeldkanals, der die Region vor dem Austrocknen bewahrt. In den Jahren des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine extensive Landwirtschaft, die wenig Rücksicht auf den Naturraum nahm.
Es ging in erster Linie darum, die Erträge zu steigern noch dominierte die Erinnerung an den durch Krieg und Krisen versursachten Mangel über den sorgsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Bäche wurden reguliert, Felder zusammengelegt, „unwirtschaftlicher Naturraum“ nutzbar gemacht. Doch die Rechnung ging nicht auf. Durch die extensive Bewässerung sank der Grundwasserspiegel immer schneller, 1983 um einen halben Meter! Das Marchfeld drohte auszutrocknen, die Kornkammer zu versiegen.
Bund und Land Niederösterreich beschlossen, die Region durch die Errichtung eines Kanalsystems zu retten. 1984 begannen die Planungsarbeiten, ab 1987 entstand der 19 Kilometer lange Abschnitt des „eigentlichen“ Marchfeldkanals, der bei Langenzersdorf von der Donau abzweigt und bei Deutsch-Wagram in den Rußbach mündet. Doch was hier entstand, wurde ein Vorbild für ganz Europa. Denn aus dem ursprünglich rein technisch gedachten Bewässerungskanal wurde ein ökologisch wertvoller Naturraum der bald Habitat für Fauna und Flora wurde. Am Marchfeldkanal manifestierte sich die Zeitenwende im Umgang mit Natur, die in den 1980er Jahren stattfand. Der Protest in der Stopfenreuther Au war nicht nur Initialzündung für die Entstehung des Nationalparks Donau-Auen, sondern beeinflusste auch die Planungen des Kanalprojekts.
In Parbasdorf führt so ein besonders schönes Stück Flusslandschaft nun durch das Ortszentrum. Statt eines schmalen Grabens fließt hier ein fast 10 Meter breiter Fluss mit flachen, begrünten Ufern. Versteckt am Ortsende findet sich in einer Hütte die erst 2021 eröffnete Pumpstation. Allein hier können jährlich bis 690.000 Kubikmeter Wasser dem Kanal entnommen werden, um 400 Hektar Ackerflächen zu versorgen, ohne das Grundwasser damit zu belasten. Die Frische und Qualität der hier gewachsenen landwirtschaftlichen Produkte kann gleich in den Hofläden vor Ort probiert werden.
Video - Der große Kanal
Autor: Günter Fuhrmann
Günter Fuhrmann stammt aus dem nördlichen Weinviertel. Er hat seine Leidenschaft für Geschichte zum Beruf gemacht und gestaltet Ausstellungen und Museen, schreibt Bücher und dreht Dokus. In der Nachfolge zur Niederösterreichischen Landessausstellung 2022 im Schloss Marchegg suchte er im Auftrag der Region Marchfeld nach Marchfeld Geheimnissen. Wir präsentieren Ihnen hier eine Auswahl davon.