„Stadtl“ ist der liebevolle Spitzname des innerhalb des mittelalterlichen Mauerrings gelegenen historischen Zentrums von Groß-Enzersdorf. Die Geschichte hat es mit der Stadt nicht immer gut gemeint. 1683 wüteten die Osmanen im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung, doch weit schlimmer wogen die Kämpfe gegen Napoleon 1809.
Im Zuge der Schlacht bei Aspern, die ja vor den Toren Groß-Enzersdorfs stattfand, findet nicht nur schwerer Artilleriebeschuss statt, ein Großbrand zerstört große Teile des Zentrums. Noch Jahre später werden die katastrophalen Folgen für den Ort geschildert, der Wiederaufbau fand lange nur schleppend statt.
Vom spirituellen Zentrum zur kommunalen Verwaltung.
Eine Institution war dabei schon vor dem Angriff der Franzosen im Verfall, das alte Bürgerspital. Es war 1423 von den Freisinger Bischöfen gegründet worden und wurde nach Zerstörungen im Türkenkrieg zur Zeit des Hochbarocks erneuert. Im Zuge der josephinischen Reformen war die Kirche profaniert worden, das einstige Gotteshaus wurde weltlichen Zwecken zugeführt.
Im 19. Jahrhundert zog hier die Freiwillige Feuerwehr ein – und blieb auch dort, bis die Gemeinde in den 1920er Jahren die ehemalige Kirche kaufte, um hier das Rathaus einzurichten. Seit damals schmückt der „Freisinger Mohr“ die Fassade, denn dieser bildet den Oberteil des Groß-Enzersdorfer Gemeindewappens.
Nicht weit entfernt vom Rathaus prägt der neu sanierte Stadtsaal nun das Zentrum von Groß-Enzersdorf.
Nicht weit entfernt vom Rathaus prägt der neu sanierte Stadtsaal nun das Zentrum von Groß-Enzersdorf. Doch auch hier hat das historische Bauwerk eine uralte „Seele“ die nun auch an der Fassade freigelegt wurde. An der Ecke zur Freisinger Gasse sieht man das Mauerwerk der Groß-Enzersdorfer Stadtburg, die einst die Macht der Fürstbischöfe von Freising, den hiesigen Stadtherren, zeigte. Der bis heute unbebaute Burghof zeugt von der Größe dieser Burg, die wohl schon um 1500 zerstört wurde. In die Ruinen zog später eine Brauerei ein, nun feiert hier Groß-Enzersdorf Kultur und Feste im Stadtsaal.
Autor: Günter Fuhrmann
Günter Fuhrmann stammt aus dem nördlichen Weinviertel. Er hat seine Leidenschaft für Geschichte zum Beruf gemacht und gestaltet Ausstellungen und Museen, schreibt Bücher und dreht Dokus. In der Nachfolge zur Niederösterreichischen Landessausstellung 2022 im Schloss Marchegg suchte er im Auftrag der Region Marchfeld nach Marchfeld Geheimnissen. Wir präsentieren Ihnen hier eine Auswahl davon.