Am 22. Jänner 1910 wurde der aus Mähren stammende Knecht Franz Petrucha zu der gemeindeeigenen Schottergrube am nördlichen Ortsrand von Untersiebenbrunn geschickt. Er sollte dort etwas Schotter holen und diesen zum Gutshof seines Dienstgebers bringen. Doch plötzlich glänzte etwas im Sand – Petrucha hatte Schmuck aus Gold entdeckt! Darunter war ein Reifen, den er zusammenpresste und in den Stiefel steckte – und ins nächstgelegene Wirtshaus einkehrte. Befeuert durch den Alkohol begann er über seine Entdeckung zu prahlen und mehr und mehr Leute strömten zur Fundstelle, um selber nach Schätzen zu suchen. Doch auch der Gemeindevorsteher hatte davon erfahren.
Da es sich beim Fundort um Gemeindegebiet handelte, wurden die Behörden informiert. Am 26. Jänner reiste schließlich der bedeutendste Archäologe seiner Zeit, Professor Wilhelm Kubitschek nach Untersiebenbrunn. Er war Direktor des kaiserlichen Münzkabinetts, Professor für Alte Geschichte und Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Da sehr viel Schnee gefallen war, konnte der Fundort nicht untersucht werden, so befragte der hochangesehene Professor im Gemeindeamt den Finder Petrucha. Als ihm dieser die von ihm gemachten Funde auf den Tisch legte, war Kubitschek klar, dass es sich dabei um eine Sensation handelte.
Schnell war ihm klar, dass es sich bei dem Fund um etwas Sensationelles handelte.
Ende Februar konnte endlich eine wissenschaftliche Grabung durchgeführt werden, man fand die Überreste einer jungen Frau aus dem 5. Jahrhundert, nicht weit entfernt davon wurden einige Wochen später das Grab eines Mädchens entdeckt. Schon bald wurde die Tote als „Fürstin von Untersiebenbrunn“ bezeichnet, so wertvoll waren die Funde.
Vor allem der Schmuck aus Gold und Silber war einzigartig, darunter Fibeln mit Edelsteinbesatz, aufwendig gestaltete Arm- und Halsreifen, dazu Ringe, Perlen, Spiegel, Kämme, Reiterzubehör und Gefäße. Die Artikel in der österreichischen und internationalen Presse überschlugen sich – vor allem als ein Rechtsstreit ausbrach, wem der Fund eigentlich zustünde.
Der eigentliche Finder Franz Petrucha wurde als Eigentümer ausgeschlossen, da er sich widerrechtlich Teile angeeignet hatte. Die Gemeinde beanspruchte den Fund für sich, denn schließlich war der Fundort Gemeindegrund. Ein Rechtsstreit brach aus, vor allem zwischen dem Land Niederösterreich und dem Hofärar zu dem das Kunsthistorische Museum in Wien zählte. Noch Jahre nach dem eigentlichen Fund beschäftigte die Presse dieser Schatz von Untersiebenbrunn, erst der Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendete die Spekulationen.
Der Großteil des Fundes ging an das Kunsthistorische Museum, wo vor allem die Prunkfibeln ein Höhepunkt der Antikensammlung sind, der Rest ging an die Landessammlungen Niederösterreichs. Franz Petrucha, der eigentliche Finder, fiel im Ersten Weltkrieg, an ihn erinnert heute nur mehr sein Name am Kriegerdenkmal vor der Volksschule.
Autor: Günter Fuhrmann
Günter Fuhrmann stammt aus dem nördlichen Weinviertel. Er hat seine Leidenschaft für Geschichte zum Beruf gemacht und gestaltet Ausstellungen und Museen, schreibt Bücher und dreht Dokus. In der Nachfolge zur Niederösterreichischen Landessausstellung 2022 im Schloss Marchegg suchte er im Auftrag der Region Marchfeld nach Marchfeld Geheimnissen. Wir präsentieren Ihnen hier eine Auswahl davon.